Die 5 häufigsten Kalkulationsverfahren der Lieferanten

Die Preis- und Kostenanalytik zählt zum großen Einmaleins im Einkauf. Sie ist ein unverzichtbares Praxiswerkzeug, um die Einkaufskosten und die Einkaufsleistung zu steigern. Zusätzlich hilft sie, Preisverhandlungen mit wichtigen Lieferanten offensiver und erfolgreicher zu führen. Damit die Preis- und Kostenanalyse erfolgreich in der Praxis angewendet werden kann, muss eine wichtige Voraussetzung erfüllt sein: Der Einkäufer benötigt umfassende betriebswirtschaftliche und kostenrechnerische Kenntnisse.

 

Kalkulation der Lieferanten: 1. Die einstufige Divisionskalkulation

Es ist das einfachste Verfahren, um die Gesamtkosten eines Betriebes auf die einzelnen Leistungseinheiten (z. B. Aufträge oder Stück) zu verteilen.

Kalkulationsbeispiel:

1.589.400 € : 750.000 Stück = 2,12 € produzierte Menge pro Periode  =  750.000 Stück Gesamtkosten pro Periode  = 1.589.400 €

Wichtig: Die reine Divisionskalkulation kann nur von Firmen angewendet werden, die ein Produkt oder einige wenige Produkte in Massen herstellen. Weitere Voraussetzungen für die Anwendung sind eine geringe Fertigungstiefe und geringe Kosten- und Bestandsveränderungen. 

 

Kalkulation der Lieferanten: 2. Die mehrstufige Divisionskalkulation

Sie stellt eine Verfeinerung der einstufigen Divisionskalkulation da. Es werden bestimmte Kosten, die der einzelnen Leistung direkt zurechenbar sind, nicht in die Division einbezogen (z. B. Materialeinsatz, Fremdleistungen, spezieller Maschineneinsatz, ...). Charakteristisch für die mehrstufige Divisionskalkulation ist, dass auch die Verwaltungs- und Vertriebskosten gesondert erfasst werden. Eine Trennung der Kostenbereiche ist bei einer mehrstufigen Produktion immer sinnvoll, da jeder Fertigungsschritt unterschiedliche Kosten verursacht. Einstandskosten + (Fertigungskosten Halbfabrikate : Menge Halbfertigfabrikate) + (FK Weiterveredelung : Menge Weiterveredelung) + (FK Endmontage : Menge Endmontage) + (Verwaltungs- und Vertriebskosten : verkaufte Menge) = Angebotspreis

Kalkulationsbeispiel:

Material-Einstandskosten pro Stück = 6,47 €

Halbfertigfabrikate: 2.670 Stück mit 25.960 € Fertigungskosten

Weiterveredelung: 2.600 Stück mit 8.324 € Fertigungskosten

Endontage: 2.580 Stück mit 12.730 € Fertigungskosten

verkaufte Menge: 2.580 Stück mit 5.822 €

Verwaltungs- und Vertriebskosten € 6,47 + (25.960 : 2670) + (8.324 : 2600) + (12.730 : 2580) + (5.822 : 2580) = 26,58 € pro Stück

 

Die Divisionskalkulation aus Einkäufersicht

Da bei diesem Kalkulationsverfahren nur eine geringe Fertigungstiefe bestehen darf, um die pauschale Zuordnung der Kosten vornehmen zu können, wird die Divisionskalkulation von Firmen aus den folgenden Bereichen angewendet:

  • Dienstleister
  • Handwerksbetriebe
  • Massenfertiger im Kunststoff und Metallbereich etc.
  • Raffinerien
  • Brauereien und Getränkehersteller
  • Lebensmittelhersteller
  • Gießereien
  • Mühlenbetriebe
  • Energiewirtschaft

Diese Berechnungsweise kann auch in einzelnen Kostenstellen oder Fertigungsbereichen verwendet werden. Voraussetzung: Die Kosten können ausreichend genau zugeordnet werden.

Wichtig: Je größer die Fertigungstiefe und die Fertigungsvielfalt des Lieferanten ist, desto schwieriger wird für uns die zutreffende Beurteilung der Divisionskalkulation. Das Kernproblem ist, dass die Kosten ohne große Aufteilung summiert werden. In der Verhandlung mit dem Lieferanten ist es unser Ziel mit dem Lieferanten über fixe und variable Kosten zu sprechen, um somit zur Deckungsbeitrags-Rechnung zu gelangen. Die Deckungsbeitragsrechnung eröffnet uns eine bessere Argumentationsbasis.

 

Kalkulation der Lieferanten: 3. Die Zuschlagskalkulation

Die Zuschlagskalkulation entstand Mitte des 19. Jahrhunderts in der Stahlbranche und wird auch heute noch von vielen Firmen angewendet. Bei diesem Kalkulationsverfahren werden jeder Leistungseinheit individuell alle Kosten zugerechnet, die sie verursacht. Man spricht auch von Kostenverteilung nach dem Verursacherprinzip. Die Zuschlagskalkulation ist ein Verfahren der Selbstkostenermittlung auf Basis der Vollkostenrechnung.

Vollkostenrechnung bedeutet, dass eine Firma versucht, ihre gesamten Kosten auf die einzelnen Leistungseinheiten (Produkte) zu verteilen. Die Zuschlagskalkulation trägt ihren Namen, weil die Gemeinkosten einer Firma mit Hilfe von Zuschlagssätzen auf die verschiedenen Einzelkostenstellen verteilt werden. Der Betriebsabrechnungsbogen (BAB) liefert die Zahlen für die Zuschlagskalkulation. In Industriebetrieben, aber auch in Handwerks- und Dienstleistungsfirmen, wird die Zuschlagskalkulation eingesetzt.

Das Problem der Zuschlagskalkulation ist die oft willkürlich gewählte verhältnismäßige Gemeinkostenverteilung! Eine schlampige Betriebsabrechnung oder die ungenaue Kostenrechnung hat damit direkte Auswirkungen auf die Kalkulation eines Produktes. Ob dies bei einigen Ihrer Lieferanten der Fall ist, können Sie natürlich nicht auf den ersten Blick feststellen.

Einfache und differenzierte Zuschlagskalkulation

Die einfache oder summarische Zuschlagskalkulation ist ein recht grobes Verfahren, da alle Gemeinkosten und der Gewinn pauschal den Material-Einstandskosten zugerechnet werden. Diese Kalkulationsart wird öfter im Dienstleistungsbereich, im produzierenden Gewerbe und im Handwerk verwendet, wo es mittlere Serien oder ständig wiederkehrende Arbeiten gibt. 

Beispiel: 
Herzustellende Stückzahl pro Periode = 12.000 
Material-Einstandskosten pro Stück = 9,80 € 
Gemeinkosten einschließlich Gewinn pro Periode = 97.500 €. 

Berechnung des Verkaufspreises mit der einfachen Zuschlagskalkulation: 12.000 x 9,80 € = 117.600 € + Gemeinkosten 97.500 € Gesamtkosten inklusive Gewinn 215.100 € 215.100 € : 12.000 Stück = 17.93 €/Stück (Verkaufspreis) 

Der Gemeinkostenzuschlag beträgt hier 83 % (97.500 € sind 83 % von 117.600 €). 
Ein Blick auf das Kalkulationsschema der differenzierten Zuschlagskalkulation zeigt den Unterschied zum ersten Verfahren. Hierbei werden die Gemeinkosten nicht in einem Block verrechnet, sondern in Einzel- und Gemeinkosten getrennt:

 Material-Einzelkosten
+

 

Material-Gemeinkosten
=Materialkosten (MK)
+Fertigungs-Einzelkosten
+Fertigungs-Gemeinkosten
+Sonder-Einzelkosten der Fertigung
=Fertigungskosten (FK)
  
 MK + FK = Herstellkosten (HK)
+Entwicklungskosten
+Verwaltungs-Gemeinkosten
+Vertriebs-Einzelkosten
+Vertriebs-Gemeinkosten
+Sonderkosten des Vertriebs
Vertriebskosten (VK)
  
 HK + VK = Selbstkosten
Gewinn ... etc.
 

ab hier folgt dann die eigentliche Verkaufskalkulation

Die einzelnen Gemeinkostenzuschläge werden nach der folgenden einheitlichen Formel ermittelt, die dann jeweils auf die einzelnen Kostenarten (Material, Fertigung, Verwaltung, Vertrieb,…) bezogen wird: Gemeinkostenzuschlag in % = Gemeinkosten : Einzelkosten x 100 Beispiel: Materialgemeinkosten (nach Umlage aus dem Betriebsabrechungsbogen) = 157.000 € Gesamtes Fertigungsmaterial (Einzelkosten) für 2003 = 1.840.000 € 157.000 € : 1.840.000 € x 100 = 8,53 % Material-Gemeinkostenzuschlag

 

Kalkulation der Lieferanten: 4. Deckungsbeitragsrechnung

Ist die Summe aller in einer Periode erzielten Deckungsbeiträge größer als die variablen und gesamten Fixkosten Ihres Lieferanten in dieser Periode, dann erzielt Ihr Lieferant einen Gewinn. Die Deckungsbeitrags-Rechnung geht davon aus, dass die Material- und Fertigungsgemeinkosten nicht proportional von der Beschäftigung abhängen, sondern als Fixkostenblock bestehen bleiben. Dies ist die Ausgangsbasis sowohl für die Verkäufer ihrer Lieferanten als auch des einkaufenden Unternehmens.

Ein Verkäufer, der mit der Deckungsbeitrags-Rechnung kalkuliert, kann je nach Situation unterschiedliche Ziele verfolgen. Bei einem einmaligen Geschäft mit einem Kunden versucht der Verkäufer seinen Deckungsbeitrag zu maximieren. Bei einer langjährigen und dauerhaften Geschäftsbeziehung versucht der Verkäufer seinen Deckungsbeitrag zu optimieren.

Lieferanten, die mit der Deckungsbeitragsrechnung arbeiten, berechnen ihre Angebotspreis an die Einkäufer wie folgt:

Angebotspreis = (Anfragemenge x variable Stückkosten) + Gesamtkosten : Anfragemenge

Berechnungsbeispiel:

variable Stückkosten (Fertigungslohn + -material): 32,70 €

Fixe Kosten (Soll-Deckungsbeitrag): 385.000 €

Anfragemenge: 20.000 Stück (20.000 Stck. x 32,70 €) + 385.000 € : 20.000 Stck. = 51,95 € Angebotspreis

Diese 51,95 € erscheinen im schriftlichen Angebot des Verkäufers an den Einkäufer. In der Verhandlung mit seinem Kunden erfährt der Verkäufer, dass dem Einkäufer ein Wettbewerbsangebot von 39 € vorliegt. Wenn der Verkäufer auf diesen Preis einsteigen würde, verändert sich sein Deckungsbeitrag erheblich.

Er rechnet wie folgt: Absatzmenge x (Marktpreis/Stück – variable Stückkosten) = Deckungsbeitrag. Berechnungsbeispiel: 20.000 x (39 € –32,70 €) = 126.000 €. Um seinen geplanten Deckungsbeitrag von 385.000 € zu halten, müsste der Lieferant eine größere Menge absetzen. Die ideale Absatzmenge bei einem Preis von 39 € berechnet er wie folgt: Deckungsbeitrag : (Marktpreis - variable Stückkosten = Absatzmenge Berechnung: 385.000 € : (39 € - 32,70 €) = 61.112 Stück

Vor dem Hintergrund dieser Zahlen wird deutlich, warum Verkäufer eine Mengenerhöhung erzielen möchten, wenn er den Preis reduzieren sollen.

 

Kalkulation der Lieferanten: 5. Großhändlerkalkulation

Die traditionelle Kalkulation mit Hilfe der Handelsspanne


    Einstandspreis                64,00 €
+    70 % Kalkulationsaufschlag              51,20 €
----------------------------------------------------------------------
=    Verkaufspreis                    115,20 €

Der Kalkulationsaufschlag (die Handelsspanne) deckt alle direkten und indirekten Handlungskosten und enthält den Gewinnaufschlag.

Wichtig: Für eine kostenorientierte Kalkulation ist das Arbeiten mit Handelsspannen nicht geeignet.


Das differenzierte Kalkulationsschema für Großhändler

Nettoeinkaufspreis
+    direkte Bezugskosten
----------------------------------------------------------------------
=    Einstandskosten
+    ..... % direkt verrechenbare Lagerungskosten
+    ..... % Handlungsgemeinkosten
----------------------------------------------------------------------
=    Selbstkosten
+    ..... % Gewinn
+    ..... % Kundenskonto
+    ..... % Verkäuferprovision
+    ..... % Kundenrabatt
----------------------------------------------------------------------
=    Nettoverkaufspreis
 

Das Kalkulationsschema als Gesprächsleitfaden

Selbst mit einem nicht ausgefüllten Kalkulationsschema dringen Sie in den betriebswirtschaftlichen Bereich Ihres Lieferanten vor. Sie schlüsseln damit seine Kosten auf und können so gezielt Fragen stellen. Sie können beispielsweise nach der Höhe der Einzelkosten und der Höhe der verschiedenen Gemeinkostensätze fragen. Die Antworten Ihrer Lieferanten darauf werden sehr unterschiedlich ausfallen. Sie erhalten so immer wichtige Informationen über Ihre Lieferanten. Wenn ein Lieferant massiv mauert und nicht über die Kalkulation sprechen möchte, wird es bestimmt einen besonderen Grund haben. Praxis-Tipp: Lassen Sie sich durch die Neins Ihrer Verkäufer nicht beeindrucken. Betrachten Sie dieses Verhalten als Einladung weiter über das Thema zu sprechen. Die Kalkulation eines Lieferanten mit Hilfe der Zuschlagskalkulation nachzuvollziehen ist grundsätzlich machbar - allerdings nicht ganz einfach. Je weniger Sie über die genaue Höhe der Einzel- und Gemeinkosten Ihrer Lieferanten wissen, desto schwieriger wird es. Mit Hilfe der Deckungsbeitragsrechnung lässt sich die Nachkalkulation wesentlich einfacher bewerkstelligen. Die 5 Gründe, warum Sie trotzdem mit Ihrem Lieferanten über seine Zuschlagskalkulation sprechen sollten, hier noch einmal auf einen Blick.

  1. Sie zeigen Ihrem Lieferanten, dass Sie wissen, wie Selbstkosten und Verkaufspreise entstehen.
  2. Sie zerlegen den Kostenblock Ihres Lieferanten.
  3. Sie können gezielt fragen und erfahren so mehr über Ihren Lieferanten.
  4. Sie können Ihren Lieferanten damit konfrontieren, dass er mit einem veralteten Kalkulationssystem arbeitet.
  5. Sie können ihn nach Maßnahmen zur Gemeinkostensenkung fragen.

Fazit: Die Kalkulation Ihrer Lieferanten ist ein lohnendes Gesprächsthema. Lassen Sie sich von Ihren Lieferanten erklären, wie und bis wann er seine einzelnen Kostenblöcke reduzieren will. Denken Sie immer daran: Im Einkauf liegt Gewinn! Und auch die eigenen Kunden werden es Ihnen danken.

Autor: Jens Holtmann

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