Die aktuelle Frage: 

"Wie können wir die aktuelle Rezession für unseren Einkauf nutzen?"

Antwort:

Die Rezession in Deutschland kündigte sich bereits Ende 2022 an. Jetzt ist sie da. Hier ein paar Fakten von Anfang Juli 2023 dazu:

  • Einkaufsmanager-Index für Deutschland im Juni 2023 fällt auf den tiefsten Wert (40,6 Punkte) seit mehr als 3 Jahren.
  • Einkaufsmanager-Index der Eurozone für die Industrie im Juni 2023 auf 37-Monatstief (43,4 Punkte).
  • Die Verkaufspreise wurden so stark reduziert wie zuletzt vor 3 Jahren.
  • Anhaltender Rückgang der Neuaufträge in der gesamten Industrie.
  • Lagerbestände werden abgebaut - dadurch sinkt die Einkaufsmenge.
  • Die Einkaufsmenge wurde so stark reduziert wie selten zuvor seit Umfragebeginn vor 26 Jahren. 
  • Die Einkaufspreise sanken so rasant wie seit Juli 2009 nicht mehr, allen voran im Vorleistungsgüterbereich.

Eine rezessive Marktlage bedeutet den Wechsel von Verkäufer- zu Einkäufermärkten. Der Einkauf muss jetzt proaktiv auf die Lieferanten einwirken, um die wirtschaftlichen Schäden durch überhöhte Preise und Energiekostenzuschlägen und andere Pauschalen, auszugleichen. Freiwillig senken nur wenige Lieferanten ihre Preise. Bei Lieferanten, die von sich aus die Preise senken, steht immer die Frage im Raum, ob die Preise - aufgrund der Marktlage - nicht noch mehr hätten reduziert werden müssen.

 

Frischer Wind durch die Wettbewerbskarte

Testen Sie mit einer kurzen Aktions-E-Mail an die Verkaufsleitungen Ihrer Lieferanten an, wie die aktuelle Stimmung bei Ihren Lieferanten ist. Gibt es bereits Ängste oder wiegt man sich noch in Sicherheit. Hier eine erprobte Vorlage für einen Aktionstext, den Sie natürlich individuell anpassen müssen:

„(persönliche Anrede) … wir möchten mit Ihnen über das Intensivieren der Zusammenarbeit und das gemeinsame Ausschöpfen von weiteren Erfolgspotenzialen beraten. Bitte schreiben Sie uns bis zum ... 2023, als Vorbereitung auf das noch zu vereinbarende persönliche Gespräch, mit welchen Ergebnissen wir fest rechnen können.Vielen Dank."

Folgender PS-Vermerk verstärkt den Druck: „Sollten Sie mit leeren Händen kommen, würde uns das Überraschen und einen umfassenden Marktvergleich auslösen.“ Alternativ können Sie auch eine positiv motivierende Formulierung verwenden: „Wir freuen uns, wenn Sie diese Chance zur Intensivierung und Festigung der Geschäftsbeziehung nutzen.“

Tipp: Viele Ihrer Lieferanten kaufen jetzt günstiger ein und deswegen können Sie auch Preisreduzierungen fordern.


Die 9 Spielregeln für den Einkauf in der Rezession

Folgende Punkte müssen Sie jetzt klären:

  1. Wie ist es um die Liquidität des eigenen Unternehmens bestellt?
  2. Spürt das eigene Unternehmen schon Nachfragerückgänge und Auftragsstornierungen durch Kunden?
  3. Bedarfsvorhersage, Disposition, Lagerbestände & Co. gehören auf den Prüfstand und müssen angepasst werden.
  4. Gibt es Lieferanten mit einem erhöhten Insolvenzrisiko im eigenen Lieferantenstamm?
  5. Die Laufzeiten der Verträge mit Abnahmeverpflichtung müssen überprüft und eventuell neu verhandelt werden.
  6. In welchen Lieferantenbranchen gibt es bereits Preisrückgänge bei den Vormaterialien?
  7. Statt Preiserhöhungen von Lieferanten zu akzeptieren, müssen Sie jetzt Preisreduzierungen fordern.
  8. Neue Anfragen/Ausschreibungen werden wieder erfolgreicher.
  9. Die Wettbewerbskarte funktioniert wieder.

 

7 Sofortmaßnahmen für das Einkaufen in der Rezession

In einer Rezession stehen Unternehmen vor der Herausforderung, Kosten zu senken und ihre finanzielle Stabilität zu sichern. Der Einkauf spielt dabei eine wichtige Rolle. Hier sind 7 Sofortmaßnahmen, die der Einkauf während einer Rezession ergreifen muss:

1. Einkaufspreise runter: Aktive Verhandlungen mit Lieferanten führen zu günstigeren Preisen, besseren Zahlungsbedingungen oder Rabatten sowie Zusatz- und Nebenleistungen. Lieferanten senken selten freiwillig die Preise - der Einkauf muss meistens kräftig nachhelfen.

2. Verträge überprüfen: Überprüfen Sie bestehende Lieferverträge, um sicherzustellen, dass diese noch  wirtschaftlich vorteilhaft sind. Sollte dies nicht der Fall sein, müssen Sie über die Aufhebung des Vertrages und Neuabschluss zu verbesserten Bedingungen verhandeln.

3. Kosten-Nutzen-Analyse: Führen Sie eine umfassende Kosten-Nutzen-Analyse für Einkaufsentscheidungen durch. Überprüfen Sie, ob Ausgaben für bestimmte Materialien, Dienstleistungen oder Projekte weiterhin gerechtfertigt sind und ob es kostengünstigere Alternativen gibt.

4. Bestandsmanagement: Optimieren Sie Ihr Bestandsmanagement, um Überbestände zu vermeiden und die Liquidität zu schonen. Eine sorgfältige Überwachung und Prognose des Materialbedarfs hilft dabei, unnötige Ausgaben zu vermeiden und gleichzeitig sicherzustellen, dass die Produktion reibungslos läuft. Passen Sie Ihre Sicherheitsbestände an.

5. Einkaufsteam briefen und „einschwören“: Stimmen Sie alle Teammitglieder auf diese Einkaufsinitiative ein und machen Sie deutlich, wie wichtig das Gelingen der Aktion ist. Versorgen Sie alle Teammitglieder mit den notwendigen Zahlen, Daten und Fakten. Sichern Sie allen im Team Ihre uneingeschränkte Unterstützung zu, ganz besonders dann, wenn Lieferanten sich querstellen oder überraschend reagieren.

6. Mehr Zusammenarbeit mit Lieferanten: Stärken Sie die Zusammenarbeit mit Ihren Lieferanten, um Synergien zu nutzen und möglicherweise Kosten einzusparen. Gemeinsame Effizienzinitiativen, gemeinsame Entwicklung neuer Produkte oder die Bündelung von Einkaufsvolumina können zu Kosteneinsparungen führen.

7. Wettbewerb verstärken: Sorgen Sie für mehr Konkurrenz unter Ihren Lieferanten. Alternative Angebote eigenen sich gut als Überzeugungsbeschleuniger in der aktuellen Marktphase.  

Autor: Jens Holtmann