Einkaufsgespräche mit dem Harvard-Konzept: Die 7 Elemente des sachbezogenen Verhandelns
In Einkaufsgesprächen können Sie diese bekannte Verhandlungstechnik vielfältig einsetzen. Wer im Einkauf kennt das nicht? Tag für Tag Konflikte lösen:
- Festgefahrene Preisverhandlung mit einem Monopollieferanten
- Budgetverhandlung mit einem schwierigen Vorgesetzten
- Personalgespräch mit einem anspruchsvollen aber empfindlichen Mitarbeiter
- internes Meeting mit Produktion und Vertrieb über einen zum Teil hausgemachten Lieferengpass
Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Das Harvard-Konzept ist eine Methode, diese zum Teil kniffligen Konflikte anzugehen. Das Harvard-Konzept besteht aus den 7 Elementen des sachbezogenen Verhandelns:
- Interessen: Was sind Ihre tatsächlichen Interessen, nicht Ihre festgefahrenen Positionen?
- Optionen: Welche ungenutzten Möglichkeiten gibt es für Sie innerhalb eines konkreten Verhandlungsgegenstandes noch?
- Alternativen: Was können Sie tun, wenn wir uns nicht einigen?
- Legitimität: Welche Kriterien können Sie zeigen, dass Ihre Forderungen fair und beweisbar sind?
- Kommunikation: Können Sie gut zuhören, sich klar ausdrücken und sich in den anderen hineinversetzen?
- Beziehung: Können Sie Sache und Person trennen, wie reagieren Sie bei Gefühlsausbrüchen Ihres Verhandlungspartners?
- Verpflichtung: Haben Sie alle Punkte bedacht und geklärt, damit Sie alle Konsequenzen einer Einigung auch einhalten können?
Wichtig: Das sture Feilschen um Positionen kann in der Praxis durchaus vereinzelt erfolgreich sein. Die Nachteile sind, dass oft unzureichende, unbefriedigende oder gar keine Ergebnisse erreicht werden und eine Geschäftsbeziehung oder die Beziehung zu einem Mitarbeiter auf Dauer belastet ist.
Praxistipp: Verhandeln Sie mit möglichst wenigen Teilnehmern. Denn je mehr Personen in einer Verhandlung, desto mehr Behauptungen und Argumente, nonverbale Signale, Positionen ... gilt es zu beachten. Führen Sie Verhandlungen mit maximal 2 Teilnehmern auf jeder Seite.
Einkaufsgespräche mit dem Harvard-Konzept: Das Spannungsfeld zwischen Einkauf und Verkauf
Jede Seite hat eigene Interessen und Ziele in Einkaufsgesprächen. Hinzu kommen Wünsche, Bedürfnisse, Sorgen und Bedenken, welche die jeweiligen Verhandlungsweisen beider aktiv beeinflussen. Das Harvard-Konzept geht davon aus, dass von den Beteiligten Positionen oft nur als Resultat bekannter oder verborgener Interessen vorgeschoben werden. Hinzu kommen noch Positionen und Interessen von anderen Bereichen der Unternehmen (Vertrieb , Technik, Produktion, Geschäftsführung …).
Einkauf | Verkauf |
---|---|
niedrige Preise | höhere Preise |
sichere Versorgung | Kundenbindung |
kurze Lieferzeiten | bequeme Lieferfristen |
kleinere Abrufmengen | große Abrufmengen |
2 oder mehr Lieferanten | Alleinstellung |
Einkaufsgespräche: Wieso das Harvard-Konzept nur 2. Wahl ist
Was ist die 1. Wahl fragen Sie sich? Bitte noch etwas Geduld. Gleich erfahren Sie mehr dazu. Das Harvard-Konzept ist deshalb nur 2. Wahl, weil es viel zu kompliziert in der Anwendung ist. Was glauben Sie, wie lange dauert es, bis Ihnen die oben erwähnten 7 Punkte in Fleisch und Blut übergegangen sind? Das Harvard-Konzept behauptet ferner, dass es keine Verhandlungsphasen gibt. Das widerspricht völlig meinen Erfahrungen. Verkäufer lernen das Verhandeln an Phasenmodellen (z. B. 7 Phasen, aber andere als die oben) und in Einkaufsgesprächen können wir klar 3 Phasen erkennen: Der Start, das Thema und der Schluss der Verhandlung. Das Harvard-Konzept fordert vernünftiges Handeln in Verhandlungen ein. Menschen handeln extrem häufig aus dem Bauch heraus. Zusätzlich fordert das Harvard-Konzept von den Beteiligten Vertrauen oder Misstrauen bei der Anwendung des Harvard-Konzepts auszublenden. Ich halte das für völlig weltfremd. Es ist sinnvoll, das eigene Verhalten daran auszurichten, ob eine Geschäftsbeziehung vertrauensvoll ist oder nicht.
Einkaufsgespräche: Die 1. Wahl sind psychologische Trigger (Schlüsselreize)
Argumente werden in Einkaufsverhandlungen überschätzt. Argumente sind selten ausschlaggebend. Argumente haben eine wichtige Funktion in Einkaufsgesprächen, allerdings eine ganz andere als von der Masse gedacht. Es gibt zahlreiche psychologische Gesetze der Einflussnahme. Wer diese Gesetze kennt – egal ob Ein- oder Verkäufer – kann sie einsetzen ohne in Verhandlungen massiven Druck ausüben zu müssen. Sie können einen Gesprächspartner beeinflussen, ohne dass dieser es merkt. Wichtig: Die meisten Menschen kennen diese automatischen Verhaltensabläufe nicht. Sie werden dadurch zur leichten Beute für all diejenigen, die wissen, wie diese Einflusswaffen funktionieren.
„Ritsch-ratsch“-Reaktionen oder „teuer = gut“
Wir leben in einer vielschichtigen und hektischen Welt. Die Anzahl der Reize und Informationen, die auf uns einwirken, sind enorm. Um im Alltag damit zurecht zu kommen, arbeitet die menschliche Psyche mit „Ritsch-rasch“-Verhaltensmustern. Auf einen bestimmten Auslöser (ein Wort oder eine Situation) startet automatisch – ja fast reflexartig – das angeborene (bei Tieren) oder erlernte (bei Menschen) Verhalten. Stellen Sie sich vor, die verschiedensten Verhaltensmuster sind auf der „menschlichen Festplatte“ gespeichert und werden sofort nach dem Drücken der Play-Taste (der Auslöser, Trigger oder Schlüsselreiz) abgespielt. Wichtig: Dieses Reagieren ohne Nachdenken spart nicht nur Zeit und Kraft sondern funktioniert in vielen Alltagssituationen. Solche Urteilsmuster können auch zu „teuren“ Entscheidungen führen. Sämtliche Hochpreis-Strategien in unserer Wirtschaft nutzen das Stereotyp teuer = gut. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um ein Schmuckstück, eine Maschine oder eine Dienstleistung handelt. Das Urteilsmuster lautet hier, dass der Preis eines Produktes mit seinem Wert ansteigt:
- Teuer = gut(e Qualität)
- Teuer = gut(er Geschmack)
- Teuer = gut(er Lieferant)
Wichtig: Zu Tausenden tappen (Ein-)Käufer täglich in diese Falle. Je weniger Kenntnisse und Informationen über ein Produkt vorliegen, desto eher wird die kaufmännische Haltung zum reinen Glücksspiel. Hier wird deutlich, warum Einkäufer klar spezifizieren und anschließend mehrere Angebote miteinander vergleichen. Daneben gibt es bei uns auch noch die Regel „billig = schlecht“. Das „billig“ bezieht sich hier insbesondere auf minderwertige Qualität. Jeder Mensch hat auf der Basis dieser automatischen Verhaltensmuster schon vorschnelle (Kauf-)Entscheidungen getroffen.
Kommunikations-Aikido
Die japanische Kampfkunst Aikidō beruht auf dem Grundprinzip, keinen Widerstand zu leisten. Sie nutzt statt dessen die (Angriffs-)Energie des Gegners und natürliche Gesetze wie die Hebelwirkung, die Trägheit und die Schwerkraft. Kurz: Wenn Sie wissen, wie Sie diese Prinzipien einsetzen müssen, können Sie den stärksten Gegner besiegen. Ähnlich ist es mit den psychologischen Einflusstechniken der Kommunikation. Ohne Zwang bringt ein Mensch einen anderen dahin, wo er ihn hinhaben möchte. Besonders interessant ist, dass die Opfer solcher Beeinflussungsmanöver ihre Reaktion meistens als Folge natürlich wirkender Kräfte betrachten und seltener als Manipulation des Menschen, der davon profitiert. Von Verkäufern wird gerne das (physikalische) Kontrastprinzip eingesetzt. Dem Kunden wird zuerst die teuerste Variante angeboten. Akzeptiert er den hohen Preis, dann ist es leichter ihm noch weitere Dinge zu verkaufen. Beispiel: Ein Geschäftsführer sträubt sich vielleicht 1.000 € pro Tag für einen Software-Spezialisten zu bezahlen, aber wenn er vorher eine Software für 500.000 € gekauft hat, wirken 1.000 € ganz anders. Würde ein Verkäufer zuerst ein Produkt mit einem niedrigeren Preis zeigen, dann erscheint der Preis des teuren Produktes noch höher. Wichtig: Dieser Wahrnehmungskontrast wird von vielen Verkäufern in allen Branchen genutzt. Gehen Sie zu einem exklusiven Herrenausstatter oder einem Autoverkäufer und Sie werden es erleben.
Autor: Jens Holtmann
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