Global Sourcing: Das UN-Kaufrecht beim Sachmangel

Ihre Ansprüche nach dem CISG-Recht (UN-Kaufrecht )und welche Fristen Sie einhalten müssen. Fehlerhafte Lieferungen und schlechte Qualität wird oft schon bei deutschen Lieferanten zu einer kniffligen Sache. Tritt ein Sachmangel beim internationalen Einkauf auf, wird die Abwicklung noch arbeitsaufwändiger. Mehr als 80 % der Importeinkäufe werden auf der rechtlichen Basis des UN-Kaufrechts abgewickelt. Die Sachmängelhaftung des Lieferanten unterscheidet sich in einigen Punkten zur Sachmängelhaftung des BGB.

Wichtig: Um rechtssicher arbeiten, verhandeln und argumentieren zu können, müssen sich international agierende Einkäufer hier auskennen.

 

Global Sourcing: Die CISG-Mängelrüge

Die ersten wichtigen „Spielregeln“ liefert Ihnen der Artikel 39 „Mängelrüge“: (1) Der Käufer verliert das Recht, sich auf eine Vertragswidrigkeit der Ware zu berufen, wenn er sie dem Verkäufer nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach dem Zeitpunkt, in dem er sie festgestellt hat oder hätte feststellen müssen, anzeigt und dabei die Art der Vertragswidrigkeit genau bezeichnet. (2) Der Käufer verliert in jedem Fall das Recht, sich auf die Vertragswidrigkeit der Ware zu berufen, wenn er sie nicht spätestens innerhalb von zwei Jahren, nachdem ihm die Ware tatsächlich übergeben worden ist, dem Verkäufer anzeigt, es sei denn, dass diese Frist mit einer vertraglichen Garantiefrist unvereinbar ist.

Kommentar zu Absatz 1: Was vertragswidrig ist und was nicht, regelt der Artikel 35 „Vertragsmäßigkeit der Ware“. Danach gelten nicht nur das Abweichen von der vereinbarten Qualität und die klassische Falschlieferung als Sachmangel, sondern auch die mengenmäßige Über- oder Unterlieferung. Was schief gelaufen ist, müssen Sie dem Verkäufer genau mitteilen. Allgemeine Formulierungen, wie zum Beispiel „schlechte Qualität“, „falsch geliefert“, „mangelhafte Verarbeitung“ oder „Geräte müssen umgetauscht werden“ reichen wie im deutschen Recht auch beim CISG-Recht nicht aus. Neben dieser Rügepflicht gibt es auch noch die Untersuchungspflicht. Es ist von einer angemessenen Rügefrist nach Entdeckung des Sachmangels die Rede. Im Gegensatz zum deutschen Recht – wo die Mängelrüge unverzüglich (sofort) erfolgen muss – könnten Sie sich hier mehr Zeit lassen.

Tipp: Präsentieren Sie trotzdem Ihren internationalen Lieferanten rasch Ihre Mängelrüge.

Kommentar zu Absatz 2: Die Höchstfrist, in der Sie eine Mängelrüge stellen können, beträgt 2 Jahre, nachdem die Ware bei Ihnen in der Firma eingetroffen ist. Der Hinweis auf eine mögliche Garantiefrist zeigt, dass Sie die Inhaltspunkte des Artikels 39 komplett individualvertraglich mit einem Lieferanten abändern können. Die Mängelrüge ist an keine besondere Form gebunden.

Tipp: Da wir diesen Beitrag nicht mit Gesetzestexten voll stopfen wollen, finden Sie sämtliche CISG-Artikel unter www.einkaufsmanager.net in der Rubrik „Verträge und Recht“.

 

Global Sourcing: Die CISG-Untersuchungspflicht

In Artikel 38 „Untersuchung“ heißt es: „Der Käufer hat die Ware innerhalb einer so kurzen Frist zu untersuchen oder untersuchen zu lassen, wie es die Umstände erlauben“. Diese Untersuchungspflicht ist die Basis für die Rügepflicht nach Artikel 39. Während die Rügepflicht im CISG-Recht sehr großzügig ausgelegt werden kann, ist bei der Untersuchungspflicht von einer kurzen Frist die Rede. Wichtig: Die Untersuchungs- und Rügepflicht soll den Lieferanten die Möglichkeit geben, für Ersatz, Nachlieferung oder Nachbesserung zu sorgen und damit die Vertragswidrigkeit zu beseitigen oder zumindest den Schaden für den Kunden zu verringern. Wie im deutschen Recht kann auch hier die Länge der Untersuchungsfrist allgemein nicht genau in Tagen bestimmt werden. Letztlich entscheiden auch hier immer die Umstände des Einzelfalls. Ein schnelles Prüfen ist immer bei verderblichen Produkten nötig. Eine Untersuchungsfrist von wenigen Stunden bis zu einem Tag nach der Lieferung sind hier akzeptabel. Die Faustregel für die Praxis: Je rascher Sie prüfen, desto besser. Die Art und Weise, wie Sie die Sendung prüfen müssen, ist im CISG-Recht sehr allgemein formuliert. Es gilt hier der Grundsatz: Es muss die Prüfungsmethode gewählt werden, mit der erkennbare Mängel gefunden werden können.

Ist der Käufer sachkundig – also keine Privatperson – ist eine gründliche, fachmännische Prüfung der Sendung vorzunehmen. Besteht durch die Verwendung der Ware besonders große Mangelfolgeschäden, ist um so genauer zu prüfen. Zählen, Messen, Wiegen, Riechen und Besehen ist bei der Wareneingangskontrolle auf jeden Fall erforderlich. Bei größeren Mengen reichen repräsentative Stichproben aus. Auch Funktionstests, Materialprüfungen und das Öffnen von Originalverpackungen ist notwendig. Die Prüfung kann auch durch einen externen Dritten erfolgen. Die Kosten der Prüfung trägt grundsätzlich der Käufer. Der Artikel 38 kann von den Vertragsparteien individualvertraglich komplett ausgeschlossen werden.

Tipp: Vereinbaren Sie mit Ihren Lieferanten die genaue Länge der Untersuchungsfrist und die Art und Weise der Wareneingangsprüfung. Bei Just-In-Time-Lieferungen schließt der Einkauf in der Regel individualvertraglich sämtliche Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten aus. Durch eine Qualitätssicherungsvereinbarung mit dem Lieferanten werden diese Pflichten auf den Verkäufer übertragen. Im Gegensatz zum deutschen Recht ist dieses Vorgehen beim internationalen Einkauf weniger strittig.

 

Global Sourcing: Ihre CISG-Rechte

Ihre Rechte bei einer fehlerhaften oder falschen Lieferung regelt der Artikel 45 „Rechtsbehelfe des Käufers“. Dieser Übersichtsartikel verweist unter anderem auf die folgenden für Sie wichtigen Artikel: Artikel 46 „Recht des Käufers auf Erfüllung oder Nacherfüllung“: Sie erhalten hierdurch als Käufer eine größere Wahlmöglichkeit hinsichtlich der Rechtsbehelfe bei einer Vertragsverletzung durch den Lieferanten. Sie können beispielsweise das Rückgängigmachen des Vertrages verlangen und/oder Schadensersatz, sind jedoch nicht verpflichtet dies zu tun. Sie können von Ihrem Lieferanten auch Erfüllung und daneben Schadensersatz verlangen.

Artikel 47 „Nachfrist“: Auch beim Sachmangel können Sie mit der Nachfrist arbeiten. Praxisbeispiel: Sie haben eine mangelhafte Lieferung bekommen und bestehen zuerst auf Vertragserfüllung durch Ersatzlieferung oder Nachbesserung. Dieses Vorgehen führt häufig dazu, dass die Frist für Ihr Recht auf Vertragsaufhebung erlischt. Wenn Sie dem Lieferanten jedoch für die Ersatzlieferung oder Nachbesserung eine Nachfrist setzen und diese ergebnislos verstreicht, gewinnen Sie damit Ihr Recht zur Vertragsaufhebung zurück.

Artikel 48 „Recht des Verkäufers zur Nacherfüllung“: Das Wahlrecht des (Ein-)Käufers nach Artikel 45 wird hier durch das Nacherfüllungsrecht des Lieferanten teilweise eingeschränkt.

Artikel 49 „Vertragsaufhebung“: Dieser Artikel bildet zusammen mit den Artikeln 48 und 46 eine systematische Einheit. Ihr Recht, vom Vertrag zurückzutreten, können Sie nur dann geltend machen, wenn der Verkäufer eine seiner Pflichten nicht erfüllt hat und dieses Nichterfüllen gleichzeitig eine wesentliche Vertragsverletzung ist. Es spielt dabei keine Rolle, ob der Lieferant das Leistungshindernis vertreten hat. Was eine wesentliche Vertragsverletzung ist, regelt der Artikel 25.

Artikel 50 „Minderung“: Die Minderung ist sowohl mit der Nachbesserung oder Ersatzlieferung als auch dem Recht auf Vertragsaufhebung unvereinbar. Schadensersatz und Minderung sind unter bestimmten Voraussetzungen jedoch möglich. Als Käufer sind Sie nicht zur Minderung verpflichtet. Sie mindern durch Ihre einseitige Erklärung, die der Verkäufer der dann akzeptieren muss. Auch eine 100 %-ige Minderung ist möglich.

Artikel 51 „Teilweise Nichterfüllung“: „Liefert der Verkäufer nur einen Teil der Ware oder ist nur ein Teil der gelieferten Ware vertragsgemäß, so gelten für den Teil, der fehlt oder der nicht vertragsgemäß ist, die Artikel 46 bis 50.“ Dieser Originaltext ist klar und verständlich. Den gesamten Vertrag können Sie jedoch nur dann rückgängig machen, wenn die Teillieferung eine wesentliche Vertragsverletzung darstellt.

Artikel 52 „Vorzeitige Lieferung und Zuviellieferung“: Haben Sie mit dem Lieferanten einen genauen Liefertermin vereinbart, beispielsweise 25. Kalenderwoche, darf der Lieferant nicht früher liefern. Wird zu früh geliefert, können Sie als Käufer von Ihrem Zurückweisungsrecht Gebrauch machen. Wenn zu viel geliefert wird, haben Sie ein Wahlrecht: Sie können die zu viel gelieferte Menge zurückweisen oder Sie nehmen Sie an und bezahlen Sie. Unterschieden wird zwischen der offenen und der verdeckten Zuviellieferung. Tipp: In der Mängelrüge ist der Hinweis auf die Rechtsfolge nicht vorgeschrieben, aus kaufmännischer Sicht jedoch sinnvoll.

CISG-Recht

BGB/HGB

Mängelrüge in „angemessener Frist“ (Art. 39)

Mängelrüge „unverzüglich“ (§ 377 HGB)

Die Rüge- + Untersuchungspflicht kann vertraglich komplett ausgeschlossen werden

Die Rüge- + Untersuchungspflicht kann nicht ausgeschlossen und eingeschränkt werden.

Die Rügepflicht gilt auch beim einseitigen Handelskauf (Firma – Privatperson)

Die Rügepflicht gilt nur beim zweiseitigen Handelskauf (Firma – Firma)

1 Nacherfüllungsversuch

2 Nacherfüllungsversuche durch den Lieferanten (§ 440 BGB)

Tabelle: Sachmangel/Mängelrüge Unterschiede zwischen CISG und BGB

Autor: Jens Holtmann

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