Vertragssrecht: Das Leistungsstörungsrecht im BGB für den Einkauf
Was die Generalklausel „Pflichtverletzung“ für Sie und Ihre Lieferanten bedeutet Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) gibt es das allgemeine Leistungsstörungsrecht und das besondere Leistungsstörungsrecht. Leistungsstörungen des Allgemeinen Schuldrechts im BGB sind:
- Unmöglichkeit: Der Schuldner (Verkäufer) leistet (liefert) nicht.
- Schuldnerverzug: Der Schuldner (Verkäufer) leistet (liefert) zu spät.
- Positive Vertragsverletzung (pVV): Schlechtleistung des Schuldners (Lieferanten) oder der Lieferant verletzt seine Nebenpflichten. Die positive Vertragsverletzung wird auch positive Forderungsverletzung (pFV) genannt.
- Gläubigerverzug: Eine ordnungsgemäß angebotene Leistung (zum Beispiel Lieferung oder Zahlung) wird nicht angenommen.
Wichtig: Die 4 aufgezählten Leistungsstörungsgruppen sind seit dem 01.01.2002 durch die Generalklausel (Pflichtverletzung) zusammengefasst.
Vertragssrecht: Der § 280 ist die rechtliche Basis für Kaufvertragsstörungen
Die Rechtsgrundlage ist der § 280 „Schadensersatz wegen Pflichtverletzung“: „(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen. (3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.“ Im Text des § 280 wird auf 4 andere Paragrafen verwiesen. So werden die verschiedensten Paragrafen miteinander verbunden. Ohne den originalen Gesetzestext lässt sich das neue Vertragsrecht des BGB nicht vermitteln. Die Abstraktion des BGB ist damit gestiegen und das bedeutet, dass viele neue Paragrafen nicht aus sich heraus verständlich sind. Wichtig: Das Allgemeine Leistungsstörungsrecht und damit der § 280 ist die Basis für das besondere Leistungsstörungsrecht, das die Kauf- und Werkverträge betrifft.
Vertragssrecht: Gegenseitige Verträge
Im Schuldrecht wird zwischen einseitig verpflichtenden Verträgen und zweiseitig verpflichtenden Verträgen unterschieden. Die Schenkung oder die Bürgschaft sind beispielsweise einseitig verpflichtende Verträge. Der Kauf-, Werk- und Dienstvertrag sind dagegen zweiseitig verpflichtende Verträge. Die meisten Einkäufer haben im Berufsalltag mit diesen drei Vertragstypen zu tun. Sie können auf der Grundlage des § 280 Absatz 1 Schadensersatz wegen einer Pflichtverletzung von Ihrem Lieferanten verlangen, wenn folgende vier Voraussetzungen erfüllt sind:
- Es besteht ein Schuldverhältnis (Kauf- oder Werkvertrag).
- Es liegt seitens des Lieferanten eine Pflichtverletzung vor: Nicht-, Schlecht-, Spätleistung (Verzug) oder Nebenpflichtverletzung.
- Der Lieferant (Schuldner) muss diese Pflichtverletzung zu vertreten haben.
- Durch die Pflichtverletzung muss Ihnen ein Schaden entstanden sein.
Vertragssrecht: Sie können Schadensersatz fordern statt der Leistung oder auch neben der Leistung.
1) Schadensersatz statt der Leistung: Sie verlangen Schadensersatz, weil Ihr Lieferant überhaupt nicht oder nicht so geliefert hat, wie es vereinbart war. Das regelt § 280 Absatz 3. 2) Schadensersatz neben der Leistung: Hier gibt es 2 Varianten: a) Sie erhalten die Leistung von Ihrem Lieferanten zu spät (Verzug), sind aber immer noch an der Vertragserfüllung interessiert. Sie machen den durch die verspätete Lieferung entstandenen Schaden gegenüber Ihrem Lieferanten geltend (reiner Verzögerungsschaden). Dies regelt § 280 Absatz 2 in Verbindung mit § 286. b) Sie verlangen Schadensersatz von Ihrem Lieferanten, weil er eine Nebenpflicht im Sinne von § 241 Absatz 2 verletzt hat. Hier heißt es im BGB: „Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Rechtsinteressen des anderen Teils verpflichten.“ Beispiel für die Verletzung einer Nebenpflicht durch den Lieferanten: Ein Handwerker beschädigt auf dem Weg zum Einsatzort das Eigentum Ihrer Firma. Die Anspruchsgrundlage für die Verletzung von Nebenpflichten war nach altem Recht die positive Vertragsverletzung (pVV). Sie war nicht im BGB geregelt und beruhte ausschließlich auf dem Richterrecht. Im neuen BGB ist der § 280 Absatz 1 und 3 in Verbindung mit § 241 die Anspruchsgrundlage der positiven Vertragsverletzung. Ansprüche daraus ergeben sich nun direkt aus dem Gesetz, das bedeutet, die Anspruchsgrundlage ist im BGB fest verankert.
Vertragssrecht: Das hat Ihr Lieferant zu vertreten
Sie können von einem Lieferanten nur dann Schadensersatz verlangen, wenn er die Pflichtverletzung auch zu vertreten hat. Geregelt ist dies im § 276 „Verantwortlichkeit des Schuldners“: „(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung. (2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. (3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.“ Beispiel: Ihren Lieferanten trifft ein Verschulden, wenn er aufgrund einer Lieferverzögerung bei einem Vorlieferanten selbst nicht kann. Auch Produktion von Ausschuss oder andere Betriebsstörungen muss Ihr Lieferant vertreten. Wichtig: Viele Verkäufer versuchen, sich in solchen Situationen mit der „höheren Gewalt“ herauszureden. Höhere Gewalt kommt im Geschäftsalltag nicht sehr oft vor, da es ein außergewöhnliches Ereignis ist. Das geringste eigene Verschulden des Lieferanten schließt höhere Gewalt aus.
Autor: Jens Holtmann
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