Die aktuelle Frage: 

"Ich bin neu im Einkauf. Was muss ich bei Telefonverhandlungen und bei den täglichen Telefonaten im Einkauf beachten?"

Antwort:

Mehr oder weniger verlaufen alle Telefonate nach dem gleichen Muster. Bei einer direkten Verhandlung (Face-to-face) geht niemand sofort in die Vollen. So ist es auch am Telefon. Nach der Begrüßung und dem obligatorischen kurzen Smalltalk (Phase I) geht es mit dem eigentlichen Verhandlungsthema weiter (Phase II), das dann zu einem - hoffentlich positiven - Abschluss in Phase III kommt. Je nach Problem- und Schwierigkeitsgrad können noch ein paar Unterphasen dazukommen. Bspw. wenn die Verhandlung vertagt wird oder sich eine Partei Experten zur Unterstützung an die Seite holt.

Phase 1: Die Gesprächseröffnung

Ist Ihnen der Verkäufer bekannt und Sie blicken bereits auf eine lange Reihe von direkten und indirekten Kontakten zurück, werden Sie Phase I schnell abhaken können. Ein paar nette Worte („Sind Sie mit Ihrem Hausbau schon weiter?“ oder „Na, immer noch zufrieden mit dem neuen Auto?“) und Sie können die Verhandlungsmappe öffnen.
Für einen Verkäufer, den Sie noch nicht oder nur flüchtig kennen, sollten Sie sich mehr Zeit nehmen. Sie müssen erst einmal mit ihm warm werden. Wie offen oder verschlossen klingt seine Stimme? Atmet er frei oder gepresst? Kann er zuhören und Pausen machen oder schnattert er in einer Tour? 
Wichtig: Da Sie ja für den Verkäufer ein ebenso unbeschriebenes Blatt sind, wird er sehr wahrscheinlich auf genau dieselben Dinge achten. Vor allen in den ersten 20 – 30 Sekunden kommt es deshalb darauf an, dass Sie akustisch und emotional besonders gut bei ihm ankommen. Diese halbe Minute ist entscheidend für den weiteren Verhandlungsverlauf.
Tipp: Überlegen Sie sich einen kurzen, locker formulierten Aufhänger, um das Gespräch mit dem fremden Verkäufer in die richtige Bahn zu lenken.

Da Sie von dem Mann oder der Frau kaum etwas wissen, können Sie auf deren Befindlichkeiten schlecht eingehen. Reden Sie deshalb von sich! Wie sehr Sie sich z. B. auf Ihren Sommerurlaub an der Ostsee freuen („Ich zähle heimlich schon die Tage.“) Urlaub ist immer ein gutes Thema. Dazu weiß jeder etwas zu sagen. Vorsicht aber bei politischen Themen. Da wissen Sie nie, an wen Sie geraten. 

Phase 2: Das Gesprächsthema

Sie und der Verkäufer tauschen Informationen aus, um sich auf einen gleichen Wissensstand zu bringen. Sie legen Termine und Abläufe fest, quasi eine Tagesordnung und dann geht’s los. Mit einer eingeübten Frage- und Einwandtechnik versuchen Sie nicht nur so viele Informationen aus dem Verkäufer herauszuholen, sondern auch einen optimalen Preis. Beste Zahlungs-, Qualitäts- und Lieferbedingungen inklusive sowie die typischen Lieferpannen, die es zu klären gilt. Eben alles, was die Produktion Ihrer Firma aufrechterhält und langfristig absichert.

Phase 3: Der Gesprächsabschluss

Geben und Nehmen sind das A und O einer jeden Verhandlung. Stimmt die Balance, haben beide Parteien etwas davon. Aber selbst bei einem Misserfolg oder wenn Sie die Verhandlung vertagen müssen, knallen Sie den Hörer nicht gleich auf die Gabel. Genau so locker wie Sie die Verhandlung begonnen haben, ebenso entspannt sollte Sie auch ihr Ende hinkriegen.

Beugen Sie mit klaren Aussagen Missverständnissen am Telefon vor

Von den klassischen 5 Sinnen (Hören, Sehen, Riechen, Schmecken, Tasten) steht Ihnen bei Telefonverhandlungen nur ein einziger zur Verfügung – das Hören.
Da sind Sätze wie „Wann haben Sie das gesagt?“ an der Tagesordnung. Um schon rein akustisch nicht missverstanden zu werden, müssen Sie deshalb am Telefon besonders deutlich und logisch/verständlich sprechen. Nicht von ungefähr setzte man in den Anfangstagen der Telefonie Frauen an die Schaltschränke. In den knisternden und knackenden Leitungen von einst waren ihre höheren Stimmen einfach besser zu verstehen (siehe Seite 12).

So entstehen Missverständnisse 
Vage Sätze oder undeutliche Stimmen sind sprachliche Minenfelder. Jeder legt sich nach seinem Gutdünken das Gehörte aus: 

  1. Wir vermuten, was der andere gemeint haben könnte. 
  2. Wir verstehen mehr, als gesagt wurde und ergänzen Aussagen. 
  3. Wir überhören, was uns nicht passt. 

Wichtig: Nicht was der andere sagt ist wichtig, sondern was bei uns ankommt! 

Vermeiden Sie Mehrdeutigkeiten 
Die berühmte Würze in der Kürze ist nicht immer Gottes letzter Ratschluss. Dazu reden wir zu oft zu unvollständig, zu ungenau oder nehmen schlicht an, unser Zuhörer werde uns schon verstehen. Den Gefallen tut er uns aber nicht immer. „Geh mal rasch einkaufen.“ ist so ein Beispiel. Denn nicht „Gehen“ war gemeint, sondern „Fahren“.

Reden Sie Klartext 
Wer zu kompliziert und zu lange spricht (und das auch noch staubtrocken) wird grundsätzlich schlechter verstanden. Mit größter Vorsicht sind auch ironische Bemerkungen zu gebrauchen. Sie können zwar witzig sein, führen aber auch immer zu

  • Irritationen – der Sinn der Ironie.
  • Reden Sie deshalb nie durch die Blume.
  • Vermeiden Sie versteckte Botschaften.
  • Formulieren Sie Ihre Sätze so einfach und verständlich wie möglich. 
  • Strukturieren Sie Ihre Argumentationsketten.
  • Benutzen Sie dazu Analogien und Beispiele.
  • Halten Sie keine Monologe.

Betonen Sie, was wichtig ist
Machen Sie es Ihrem Verhandlungspartner am anderen Ende der Leitung leichter. Machen Sie immer wieder eine kurze Pause, damit er verstehen und nachdenken kann, und heben Sie wichtige Aussagen auch hervor. Durch Betonungen! So vermeiden Sie, dass entscheidende Passagen in Ihrem Redefluss untergehen oder missverstanden werden. Probieren Sie aus, ob sie einen Kernsatz lauter aussprechen oder dehnen oder langsamer sprechen.

Wiederholen Sie Kernaussagen 
Die Italiener machen es uns vor. Wenn ihnen etwas besonders gut geschmeckt hat, verdoppeln sie das Wort einfach, z.B. „caffè-caffè“. Nicht anders macht es die Werbebranche. Sie bringt ihre Botschaften unter die Leute, indem sie sie dauernd und ständig wiederholt. Lernpsychologen sagen dazu: „Wer etwas vermitteln will, was nachhaltig haften bleiben soll, muss seine Botschaft wiederholen. Sonst kommt es zum Goeschen-Airolo-Effekt.“ Mit anderen Worten: Es saust zum einen Ohr hinein und zum anderen wieder hinaus. Wie im Sankt Gotthardtunnel.


So gehen Sie mit Verhandlungs-Muffeln richtig um


1. Der Arrogante
Ob ironische Bemerkungen, bewusste Versprecher oder unverblümte Unhöflichkeiten, ein Verkäufer hat viele Möglichkeiten, um Ihnen zu zeigen, was für ein Depp Sie sind. 
So reagieren Sie auf Arrogante richtig: Feuern Sie nicht mit gleicher Waffe zurück. Im Gegenteil. Sie stehen über den Dingen! Bleiben Sie gelassen. Ja, werden Sie sogar noch einen Kick freundlicher. Holen Sie die emotionalen Angriffe immer wieder auf die Sachebene zurück. Brillieren Sie dort mit Kompetenz und Fachwissen und verschaffen Sie sich so den nötigen Respekt. 


2. Der Besserwisser
Nicht Klugheit lässt die Menschen zu Besserwissern und Starrköpfen werden, sondern eine tiefe, innere Unsicherheit. Im Grunde sind sie arme Würstchen.
So reagieren Sie auf Besserwisser richtig: Lassen Sie sich keinesfalls auf die Erbsenzählerei ein und setzen womöglich noch eins oben drauf. Bereiten Sie sich stattdessen auf die Verhandlung mit einem Besserwisser besonders gut vor. Knüpfen Sie aus Daten und Fakte überzeugende Argumentationsstränge. 


3. Der Vielbeschäftigte
„Keine Zeit“ oder „Jetzt nicht!“ sind zwei beliebte Sätze von Vielbeschäftigten. Versuchen Sie einmal hinter die Kulissen eines solchen Menschen zu schauen. In vielen Fällen werden Sie auf erstaunlich viel Chaos und Desorganisiertheit stoßen. Vielbeschäftigte haben meist ein miserables Zeitmanagement.
So reagieren Sie auf Vielbeschäftigte richtig: Seien Sie penetrant. Rufen Sie immer wieder an und lassen Sie sich nicht durch E-Mails oder Faxe abwimmeln. Wenn alles nichts hilft, fallen Sie mit der Tür ins Haus.


Ge- und Verbote am Telefon

Telefonieren ist eine Technik. Wie das Autofahren. Jeder kann es erlernen. Die nachfolgenden Tipps werden Ihnen dabei helfen.


1. Die Gebote des Telefonierens

  • Lächelt Ihr Mund, dann lächelt auch Ihre Stimme.
  • Bleiben Sie, wer Sie sind. Reden Sie frei heraus und kopieren Sie keinen Stil.
  • Sprechen Sie deutlich (keine Silben verschlucken, keinen Slang oder Dialekt). 
  • Bringen Sie Abwechslung in Ihre Stimme (heben, senken, betonen). 
  • Sprechen Sie nicht zu laut, aber auch nicht zu leise. 
  • Achten Sie auch auf Ihr Tempo. Reden Sie nie schneller als Ihr Gesprächspartner.
  • Bilden Sie kurze Sätze. Schachtelsätze sind Gift für Ohr und Hirn.
  • Machen Sie Pausen, damit Sie und Ihr Partner nachdenken können.
  • Unterbrechen Sie Ihren Gesprächspartner nur im Notfall, z.B. wenn er sich im Ton vergreift. 

2. Die Verbote des Telefonierens

  • Das Gegenstück zum Lächeln, ein unfreundlicher Tonfall. 
  • Verziehen Sie auch nicht Ihr Gesicht und Rollen Sie nicht mit den Augen. Ihr Partner kann den Stimmungsumschwung hören.
  • Sie sprechen zu schnell und zu hoch. Wird von Ihrem Gesprächspartner unbewusst als Unsicherheit ausgelegt. 
  • Sie hören nicht richtig zu oder nehmen Antworten vorweg
  • So wichtig Telefonskripts sind, formal ablesen dürfen Sie sie nicht.
  • Lassen Sie Ihren Partner nicht zu lange in der Warteschleife schmoren.
  • Sätze wie „Ich lege Sie um“, sollten Ihnen niemals über die Lippen kommen. 
  • Sie sind langatmig und kommen nicht auf den Punkt.
  • Essen, Trinken oder rauchen sind Mega-Don`ts beim Telefonieren.
  • Sie verlassen sich zu sehr auf die Macht Ihrer Argumente. Ihre Person, Ihre Stimme muss aber mindestens genauso überzeugen.

Übung macht den Meister

Sich bei einer Telefonverhandlung und überhaupt beim Telefonieren allein auf sein Redetalent und seine Intuition zu verlassen, geht meistens schief. Denken Sie nur an die vielen Sportler oder Musiker, wie oft und lange die trainieren und üben müssen, bis sie es zur Meisterschaft bringen. Unser Gehirn baut nämlich Nervenzellen sofort wieder ab, die nicht ständig in Benutzung sind. Werden Sie also Ihr eigener Telefon-Coach und trainieren Sie sich! 
Nehmen Sie Ihre Stimme auf und hören Sie sich zu. 
Denken Sie daran, Sprache ist auch Melodie. Bringen Sie Abwechslung in Ihre Stimme. Vor allem wenn Sie von Natur aus zu leise ist. 


Lernen Sie, Worte und Sätze richtig zu betonen. 
Machen Sie es den Schauspielern nach. Schreiben Sie sich Ihre individuellen Telefonskripte für unterschiedliche Anlässe - und lernen Sie sie auswendig! 
Scheuen Sie sich gerade am Anfang nicht vor Trockenübungen mit einem Kollegen. So gewinnen Sie schneller Routine.
Bitten Sie um Feedbacks, um Schwachstellen schneller auf die Schliche zu kommen.

Autor: Jens Holtmann