Die aktuelle Frage:
"Kann auf Auftragsbestätigungen verzichtet werden?"

Antwort:
Nein, höchstens bei unwichtigen Geschäften (niedriger Auftragswert, keine strategische Bedeutung). Einige Unternehmen verzichten grundsätzlich auf den Erhalt von Auftragsbestätigungen. Dies geschieht teils aus Gründen der Effizienz, teils um Konflikte durch abweichende Bestätigungen gegenüber der ursprünglichen Bestellung zu vermeiden. Daraus ergibt sich die Frage nach den rechtlichen Folgen einer solchen Praxis.
Ein Kaufvertrag kommt durch Angebot und Annahme zustande. Hat der Lieferant ein verbindliches Angebot abgegeben und entspricht die Bestellung des Käufers diesem vollständig, gilt die Bestellung als Annahme. Der Vertrag kommt in diesem Fall bereits mit Zugang der Bestellung beim Lieferanten zustande.
Wann liegt kein verbindliches Angebot des Lieferanten vor?
Ein verbindliches Angebot im Sinne des BGB (§§ 145 ff.) liegt nicht vor, wenn sich aus der Erklärung des Lieferanten oder aus den Umständen ergibt, dass er nicht rechtlich gebunden sein will. Solche Fälle sind in der Praxis häufig und lassen sich wie folgt einordnen:
1. Unverbindliche Preislisten, Kataloge oder Online-Angebote
Rechtslage (§ 145 BGB): Preislisten, Werbebroschüren oder Kataloge gelten in der Regel nicht als Angebot, sondern als invitatio ad offerendum (Einladung zur Abgabe eines Angebots).
Beispiel: Ein Käufer bestellt Ware aus einer unverbindlichen Preisliste – hier stellt erst die Bestellung des Käufers das Angebot dar.
2. Angebote mit Unverbindlichkeitsklausel
Beispielhafte Formulierungen:
„freibleibend“ (für das gesamte Angebot oder einzelne Punkte im Angebot)
„ohne Obligo“
„solange der Vorrat reicht“
Solche Zusätze signalisieren: Der Lieferant will sich noch nicht binden. Folge: Kein verbindliches Angebot, sondern eine Einladung (Antrag) zur Bestellung (die Annahme des Antrags des Lieferanten).
3. Mündliche Aussagen ohne Verbindlichkeitscharakter
Ein bloßer Hinweis wie „Wir könnten liefern“ oder „Wir hätten da etwas“ ist rechtlich kein Angebot, sondern ein vager Hinweis auf mögliche Leistungen.
4. Angebote außerhalb der Bindungsfrist (§ 148 BGB)
Ist ein Angebot befristet, erlischt es nach Ablauf der Frist. Eine Bestellung danach stellt dann ein neues Angebot des Käufers dar.
5. Fehlende Angaben zu wesentlichen Vertragsinhalten
Ein Angebot ist nur dann verbindlich, wenn es alle wesentlichen Vertragsbestandteile enthält (z. B. Art, Menge, Preis, Lieferzeit).
Fehlen diese, liegt kein rechtswirksames Angebot vor.
Das Schweigen unter Kaufleuten
Anders ist die Rechtslage, wenn kein verbindliches Angebot des Lieferanten vorliegt, etwa bei Bestellungen auf Basis von Katalogen oder Preislisten. In diesem Fall stellt die Bestellung selbst das Angebot dar. Damit ein Vertrag zustande kommt, muss der Lieferant dieses Angebot ausdrücklich annehmen – entweder durch Erklärung oder durch ein Verhalten mit erkennbarem Erklärungswert. Ein bloßes Schweigen gilt dabei grundsätzlich nicht als Annahme, selbst im kaufmännischen Verkehr. Ein Vertrag kommt in solchen Fällen erst zustande, wenn der Lieferant auf die Bestellung liefert und der Käufer die Ware vorbehaltlos annimmt – ein sogenannter konkludenter Vertragsabschluss.
Für den Lieferanten besteht in dieser Konstellation das Risiko, dass er auf seiner produzierten oder beschafften Ware sitzen bleibt, wenn der Käufer die Annahme mangels wirksamen Vertrags verweigert. Aufseiten des Käufers ist der Verzicht auf eine Auftragsbestätigung besonders riskant, wenn eine fristgerechte Lieferung entscheidend ist. Bleibt die Lieferung aus oder erfolgt sie verspätet, kann der Käufer keine Verzugsansprüche geltend machen, da kein verbindlicher Vertrag vorliegt. Hätte der Lieferant die Bestellung hingegen bestätigt, wären entsprechende Schadenersatzansprüche möglich gewesen.
Abweichende Auftragsbestätigungen
Ein Vertrag setzt zwei übereinstimmende Willenserklärungen voraus. Stimmen Angebot und Annahme inhaltlich nicht überein, liegt rechtlich kein Vertrag, sondern eine Ablehnung verbunden mit einem neuen Angebot (§ 150 Abs. 2 BGB) vor. Weicht die Auftragsbestätigung eines Lieferanten von der Bestellung des Käufers ab und reagiert der Käufer nicht, kommt in der Regel kein Vertrag zustande – Schweigen stellt auch hier keinen Erklärungswert dar.
Das bedeutet für den Lieferanten, dass er keinen Anspruch auf Abnahme hat. Der Käufer wiederum kann keine Ansprüche geltend machen, sollte die Lieferung ausbleiben oder verspätet erfolgen.
Ausnahme laufende Geschäftsbeziehung
Eine Ausnahme kann sich bei laufenden Geschäftsbeziehungen ergeben. Wird regelmäßig so verfahren, dass der Lieferant die Bestellung abweichend bestätigt und trotzdem liefert – und der Käufer regelmäßig nicht widerspricht – kann aus dem Verhalten ein Vertrauenstatbestand entstehen. In solchen Fällen kann Schweigen nach § 242 BGB als Zustimmung gewertet werden, sofern der Käufer nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen wäre, seinen Widerspruch zu erklären.
Juristische Merkmale einer laufenden Geschäftsbeziehung
Eine laufende Geschäftsbeziehung im Sinne der Rechtsprechung liegt vor, wenn:
- Mehrere Geschäftsvorgänge zwischen denselben Parteien durchgeführt wurden,
- diese nicht nur gelegentlich, sondern mit gewisser Regelmäßigkeit erfolgen,
- ein gewisses Vertrauen in die Geschäftsabwicklung besteht,
- es bereits eine eingespielte Vertragspraxis oder eine gefestigte Verhandlungstradition gibt,
- beide Parteien Kaufleute im Sinne des HGB sind (§§ 1 ff. HGB),
- beide Seiten sich auf gewisse Abläufe verlassen konnten, insbesondere bei der Reaktion auf Bestellungen, Auftragsbestätigungen, Schweigen etc.
Die Rechtsprechung spricht in solchen Fällen häufig von einer gefestigten Geschäftsverbindung oder einer dauerhaften Geschäftsbeziehung.
Rechtsprechung und Bedeutung
Ein häufig zitierter Grundsatz stammt aus der BGH-Rechtsprechung zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben:
„In einer laufenden Geschäftsbeziehung kann sich aus dem regelmäßigen Verhalten der Parteien ein Vertrauenstatbestand ergeben, der Schweigen ausnahmsweise als Zustimmung werten lässt.“
— BGH, Urt. v. 15.12.1999, Az. VIII ZR 255/98
Ebenso hat der BGH klargestellt, dass bei wiederholtem einvernehmlichem Umgang mit abweichenden Auftragsbestätigungen, ein Schweigen als Zustimmung interpretiert werden kann, wenn nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) der Schweigende zur Zurückweisung verpflichtet gewesen wäre.
Keine starre Grenze, aber Tendenzen:
- Ab ca. 3–5 regelmäßigen Geschäftsvorgängen innerhalb eines überschaubaren Zeitraums (z. B. 12–24 Monate) kann man von einer Geschäftsbeziehung sprechen.
- Wichtig ist nicht die Anzahl allein, sondern die Erwartung beider Seiten, dass es zu weiteren Geschäften in vergleichbarem Rahmen kommt.
Fazit
Eine laufende Geschäftsbeziehung liegt juristisch vor, wenn die Parteien bereits mehrfach miteinander in vergleichbaren Geschäftskonstellationen zu tun hatten und sich dabei eine gewisse vertragliche Routine und Erwartungshaltung gebildet hat. Die Beurteilung erfolgt stets einzelfallbezogen anhand des tatsächlichen Geschäftsverhaltens – nicht aufgrund formaler Schwellenwerte.
Autor: Jens Holtmann
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Jens Holtmann
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